1893 gründete sich als erste Vorläuferorganisation des Verband Sozialistischer Student_innen Österreichs (VSStÖ) in Wien die „Freie Vereinigung Sozialistischer Studenten“ mit Gründungsobmann Max Adler. Dieser Diskussionszirkel, in dem sich Studierende wie Käthe Leichter, Alfred Adler, Karl Renner und viele andere zusammenschlossen, war die erste Gruppe von Studierenden, die die Ziele der jungen Arbeiter_innenbewegung teilte.
Schon damals war der Kampf für einen offenen und freien Hochschulzugang , für eine demokratische Universität sowie die Kritik an der bürgerlichen Wissenschaft zentrale Themengebiete. Die sozialistischen Student_innen nahmen außerdem regen Anteil am politischen Geschehen. Hier waren sie maßgeblich im Kampf um die Einführung des allgemeinen Wahlrechts beteiligt. Sie schlossen sich Initiativen gegen den Ersten Weltkrieg an, weshalb der Verband von den Behörden während des Krieges zeitweise verboten wurde.
Im Jahr 1917 wurde mit Anna Frey die erste Frau Obfrau der „Freien Vereinigung sozialistischer Studenten“. Nachdem bislang nur in Wien eine Gruppe bestanden hatte, gründeten sich 1918/19 auch in Innsbruck und Graz sozialistische Studierendenorgansiationen.
Als Reaktion auf den Widerstand des VSStÖ gegen deutschnationale und antisemitische Umtriebe an Österreichs Universitäten wurde der Verband von universitären Entscheidungsträgern bekämpft und Mitglieder systematisch diskriminiert. Bis heute bleibt das Verhältnis der österreichischen Hochschulen zu ihrer deutschnationalen Geschichte verklärt.
Im Austrofaschismus wurde der Verband verboten. Mitglieder des VSStÖ fielen im österreichischen Bürger_innenkrieg des Februar 1934 und in den internationalen Brigaden im Spanischen Bürger_innenkrieg 1936 bis 1939 im Kampf gegen den Faschismus. In den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur wurden viele VSStÖler_innen ins Exil vertrieben oder beteiligten sich am Widerstand gegen Faschismus und Krieg. Viele von ihnen bezahlten mit ihrem Leben. Nie sei ihr Kampf vergessen, auch wenn es keine Worte gibt, die Bedeutung ihres Einsatzes zu beschreiben.
Nach der Befreiung Österreichs nahm der VSStÖ seine Tätigkeit in der von konservativen Kräften beherrschten Universitätspolitik wieder auf, versuchte aber auch verstärkt auf hochschulpolitische und gesellschaftliche Entwicklungen Einfluss zu nehmen.
So kämpfte der VSStÖ gegen die Rückkehr von Nazis an die Hochschulen und die Verbreitung von nazistischem Gedankengut in Lehrveranstaltungen an. Mitte der sechziger Jahre schrieb beispielsweise der damalige VSStÖler und spätere Finanzminister Ferdinand Lacina die antisemitischen Äußerungen des Wiener Wirtschaftsprofessors Taras Borodajkewycz in einer Vorlesung mit. Nach politischen Turbulenzen und heftigen Protesten, die vor allem auf Wirken des damaligen VSStÖler und späteren Bundespräsidenten Heinz Fischer ins Rollen kamen, wurde 1965 bei einer Demonstration der KZ Überlebende und Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem Burschenschafter erschlagen. Kirchweger, der selbst an der Demonstration gar nicht teilnahm, wurde zum ersten Todesopfer politischer Gewalt in der Zweiten Republik. Daraufhin musste Taras Borodajkewycz abtreten.
Der VSStÖ war der erste Studierendenverband, der die Forderung nach einer demokratisch gewählten Studierendenvertretung erhob, nach 1945 war er aktiv an der Bildung der Österreichischen Hochschüler_innenschaft beteiligt.
Schon damals setzten wir uns innerhalb der ÖH für eine Verbesserung des Studienbetriebs, für eine bessere und sozial gerechte Studienförderung, für zukunftsweisende Lehrinhalte und -methoden und für mehr demokratische Mitbestimmungsrechte für Studierende ein.
Unter allen heute in der ÖH befindlichen Fraktionen sind wir nicht nur jene Organisation mit der längsten Tradition und Geschichte, sondern auch der einzige Gründungsverband der ÖH, der heute noch besteht.
Nach den ÖH-Wahlen 1995 gelang es, erstmals die Dominanz von konservativen, ÖVP-nahen Gruppierungen an der ÖH-Spitze zu durchbrechen. Der VSStÖ konnte erstmals den ÖH-Vorsitz stellen, mit der VSStÖ-Kandidatin Agnes Berlakovich wurde auch die erste Frau zur Vorsitzenden der Österreichischen Hochschüler_innenschaft gewählt. Der VSStÖ beteiligte sich aktiv an den Protesten gegen das Sparpaket der Großen Koalition 1996, das große soziale Einschnitte für Studierende brachte. Die ÖH-Wahlen 2001 haben den VSStÖ gestärkt und mit einem linken Erdrutschsieg eine rot-grüne Koalition in der Bundesvertretung der ÖH gebracht. Seitdem konnten sich auf der ÖH fast ausschließlich linke Koalitionen bilden.
2021 gelang dem VSStÖ ein historischer Wahlerfolg und er konnte bei der ÖH Wahl den Platz der stimmenstärksten Fraktion erringen. Wir blicken stolz auf die letzten Jahre zurück, in denen wir auf der ÖH-Bundesvertretung die Hochschulpolitik aktiv mitgestaltet haben. Wir konnten zahlreiche Serviceangebote und große Projekte für Studierende umsetzen, welche klar die sozialpolitische Handschrift des VSStÖ tragen.
Bei den ÖH Wahlen 2023 konnte der VSStÖ sein historisch bestes Wahlergebnis mit Spitzenkandidatin Nina Mathies erreichen und darf auch in den kommenden zwei Jahren seine Arbeit als größte Fraktion in der Exekutive der ÖH Bundesvertretung fortsetzen. Nina Mathies ist Teil des ÖH Vorsitzteams, unsere Referent_innen für Sozialpolitik, für Ausländische Studierende, für PH-Angelegenheiten, für FH-Angelegenheiten, für wirtschaftliche Angelegenheiten und für Öffentlichkeitsarbeit arbeiten Tag für Tag daran, deinen Studienalltag zu erleichtern.